Die hohe Kunst des Loslassens

Die Pusteblume ist in ihrer Einfachheit und Perfektion berührend. Entstanden aus der Löwenzahnblüte ist sie einzig zu dem Zweck geschaffen, los- und Neues wachsen zu lassen. Ein kleiner Windhauch und – wusch – segeln die kleinen perfekten Fallschirme mit ihrem Samen davon. Ein steter Kreislauf der Transformation und des Wachsens entsteht. Ein schöner Gedanke: leicht, tröstlich und Vertrauen schenkend.

Schauen wir auf unser Leben. Häufig vermissen wir Leichtigkeit, Trost und Vertrauen. Obwohl wir uns den ständigen Veränderungen in unserer modernen Welt anpassen müssen, ist Transformation aus dem Inneren heraus und inneres Wachsen kaum möglich.

Wir fühlen uns überladen, überfordert von all dem Zu-Viel. Zu viel Corona, zu viel Krempel, den wir fleißig zum Wertstoffhof bringen, zu viel Stress, zu viel Nahrung, zu viel Arbeit, die nie endet, zu viele Ziele, die es ständig zu erreichen gilt und zu viele Ideale, die wir uns zum Vorbild nehmen. Ich könnte die Liste noch endlos fortsetzen. Kurzum: Wir sind „übervoll“ und sehnen uns nach weniger, danach Ballast einfach los-lassen zu können, wie die Pusteblume ihren Samen.

Die Wirtschaft hat das längst erkannt: Der Markt ist voll von Ratgebern aller Art über Strategien wie Los-Lassen gelingen kann. Es gibt sehr viele, sehr schlaue Menschen, darunter viele Philosophen, die sich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. Es scheint also nicht so einfach zu sein mit dem Los-Lassen. Nur wenigen Menschen gelingt es in seiner ganzen weltumfassenden Befreiung: Jesus und Buddha, um zwei der prominentesten Beispiele zu nennen. Na, dann! Das schaffen wir eh nicht. Brauchen wir also gar nicht erst anzufangen!?!

Damit macht man es sich meines Erachtens aber zu einfach. Wir können ja mal klein anfangen. Das ist besser als gar nicht anzufangen. Ohne Ziel. Einfach mal den Weg in kleinen Schritten einschlagen und schauen, wohin die Reise geht.

Wir sind keine Pusteblumen. Für uns Menschen gestaltet sich das Los-Lassen meist als komplexer Vorgang, der mit vielen Gefühlen und Erwartungen verbunden ist und meist nicht ohne Trennungsschmerz vonstattengehen kann. Einen einfachen Königsweg gibt es nicht. Allgemeine Strategien können nicht funktionieren. Jeder Mensch ist einzigartig und so einzigartig muss auch das Loslassen gestaltet werden. Wir können es lernen, aber es erfordert viel Reflexion und Feingefühl, Übung sowie Selbstliebe.

In meinem nächsten Blogartikel würde ich gerne Impulse geben, wie wir uns dem wirklich großen Thema des Los-Lassens annähern können. Bis bald!