Ein Plädoyer für den „Herabschauenden Hund“

Im Sanskrit heißt diese Asana: Adho Mukha Svanasana

Adho= nach Unten, Mukha= Gesicht, shvana= Hund

Wenn ich in meinen Kursen ansage, dass wir in den „Herabschauenden Hund“ gehen, ernte ich meist ein Stöhnen und bisweilen sogar ein Maulen. Was macht diese Asana so unbeliebt und warum ist sie dennoch eine der Haupt-Asanas in nahezu jeder Yoga-Richtung? Wie wird der „Herabschauende Hund“ richtig ausgeführt, sodass er seine volle Wirkung entfalten kann?

Die körperliche Wirkung des „Herabschauenden Hundes“ ist vielseitig und umfassend: Er stärkt die Arm- und Rückenmuskulatur, öffnet die Schultern und streckt die Wirbelsäule sowie die Beinrückseiten. Er kann gegen Kopfschmerzen und Verspannungen im Nacken und Schulterbereich wirken, lindert Menstruationsbeschwerden, kann leichten Depressionen entgegenwirken, baut Stress ab und verbessert die Verdauung. Im Vinyasa Yoga dient er sogar als Entspannungshaltung. Dieser umfassenden Wirkung verdankt der „Herabschauende Hund“ seine große Beliebtheit im Yoga.

Dass sich viele Menschen im „Herabschauenden Hund“ nicht entspannen können, ihn als nahezu unzumutbar empfinden, liegt daran, dass wir unser Leben überwiegend im Sitzen verbringen. Wir sind es schlicht nicht gewöhnt, unsere Körperrückseite maximal zu strecken.  „Adho Mukha Svanasana“ gilt zudem als Umkehrhaltung, d.h. der Kopf befindet sich unterhalb der Hüfte. Umkehrhaltungen sind gerade für Anfänger häufig mental und emotional eine große Herausforderung. Warum? Fällt Ihnen spontan eine Situation in Ihrem Leben ein, die Sie in der einer Umkehrhaltung verbringen? Nein? Eben. Unser Körper, unser Geist und unsere Gefühle müssen sich an die Neuausrichtung des Körpers erst gewöhnen. Wir müssen loslassen, uns der Asana hingeben und vertrauen. Meiner Ansicht nach, eine große Herausforderung!

Wenn wir uns jedoch darauf einlassen, werden wir reich beschenkt. Jede Umkehrhaltung, also auch der „Herabschauende Hund“, beschert uns einen Perspektivenwechsel. Wir sehen die Welt aus einem anderen Blickwinkel heraus. Vieles erscheint uns verändert, neu und ungewohnt. Aus diesem Grund ist der „Adho Mukha Svanasana“ eine wirkungsvolle Asana der Transformation. Sie lädt ein zum Hinterfragen der Gedanken und der Lebensgewohnheiten. Sie steht für Neuausrichtung und Veränderung.

Im Leben erleben wir ständig Veränderungen. Wir sind nie der Mensch, der wir gestern waren und sind heute nicht der Mensch, der wir morgen sein werden. Yoga kann uns helfen, mit diesen Veränderungen, die wir alltäglich bei uns, in unserem Umfeld und der Welt wahrnehmen, besser zurechtzukommen. Durch Yoga wird sich nicht nur Ihr Körper verändern, sondern im Laufe der Zeit auch die mentale und/oder emotionale Grundausrichtung.

Anleitung für Adho Mukha Svanasa:

Wir beginnen im Vier-Füssler-Stand. Der Rücken ist gerade.

Wir achten darauf, dass unsere Hände gut im Boden verwurzelt sind. Die Finger sind weit aufgefächert und schauen nach vorne. Das Gewicht liegt auf dem Daumen, dem Mittelfinger und dem kleinen Finger.

Wir stellen einatmend die Zehen auf.

Jetzt spannen wir die Bauchmuskulatur an und schieben ausatmend die Sitzbeinhöcker zur Decke.

Die Arme sind lang, aber nicht überstreckt, der Rücken ist gerade. Der Kopf ist in Verlängerung der Wirbelsäule.

Die Beine sind noch leicht eingebeugt. Wir treten zunächst mit den Füßen auf der Stelle, ähnlich dem Wassertreten. Erst wenn wir uns ein bisschen in dieser Haltung aufgewärmt haben, strecken wir die Beine. Die Fersen ziehen Richtung Boden.

Der Rücken bleibt lang, die Bauchmuskeln sind weiterhin aktiv, die Sitzbeinhöcker streben zur Decke, die Fersen in entgegengesetzte Richtung – zum Boden.

Wir halten nicht die Luft an, sondern atmen entspannt weiter. Wir können auf diese Haltung vertrauen. Wir vertrauen uns, dass unsere Hände und Arme uns tragen. Wir geben uns dieser Asana hin. Wir schauen uns die Welt aus einer neuen Perspektive an und erfreuen uns an der Veränderung, die durch diese Asana eingeleitet wird. Wir schenken uns und der Welt ein Lächeln.

Wir lösen die Asana mit der nächsten Ausatmung auf und kommen in den neutralen Vier-Füßler-Stand zurück und nehmen die Haltung des Kindes ein. Dafür schieben wir das Gesäß Richtung Fersen und legen es auf den Fersen ab. Den Oberkörper legen wir auf den Oberschenkeln ab, den Kopf auf dem Boden. Die Arme liegen neben dem Körper. Wir atmen tief und entspannt.